Das Leben geht weiter

Ich kippte den Wodka herunter und schüttelte mich. Der scharfe Geschmack füllte meinen Mund und meine Kehle aus. Ich winkte dem Barkeeper.
„Noch einen! Und nicht leer werden lassen.“
Er sah mich mit skeptischem Blick an.
„Sie wissen schon, dass die Probleme morgen wieder da sind – plus Kopfschmerzen, kleine Lady?“, fragte er und schien besorgt.
Ich versuchte ein Lächeln, das mir missglückte.
„Vielen Dank für den Rat. Aber ist der nicht geschäftsschädigend?“
Der Barkeeper zuckte mit den breiten Schultern.
„Könnte man so sehen. – Aber sie scheinen mir eigentlich zu vernünftig ihren Ärger mit Alkohol zu betäuben.“
„Vernünftig? Ha, vernünftig.“
Ich lachte. Es hörte sich sogar in meinen eigenen Ohren hysterisch an.
„Wenn ich vernünftig wäre, hätte ich auf meine Freundin gehört. Lass die Finger von ihm, hat sie gesagt, er ist ein Windhund hat sie gesagt, er wird dich früher oder später betrügen, hat sie gesagt.“ Ich schluchzte laut auf. „Und sie hat Recht gehabt. Er hat alles gevögelt, was nicht bei drei auf dem Baum war“, wieder ein Schluchzen.
„Dann sollten sie froh sein, dass er weg ist“, sagte der Barmann und stellte einen Espresso vor mich hin.
„Ach, nee?! Meinen sie nicht, dass ich auch schon auf diesen Gedanken gekommen bin?“ Ich erging mich in einer neuen Schluchzttirade. „Aber es tut so weh.“
„Davon hörte ich“, sagte der Barkeeper lakonisch.
„Und dafür haben sie zufällig gerade keinen Ratschlag, Mister Superschlau“, fragte ich provozierend.
„Wenn ich den wüsste, wäre ich Millionär“, er grinste durch meinen Tränenschleier hindurch, „Liebe ist der Wahnsinn. Wenns gut läuft besser als jeder Trip, und wenn es schlecht läuft, schlimmer als jeder Entzug.“
Er reichte mir ein Taschentuch über den Tresen.
„An ihnen ist ein Philosoph verloren gegangen“, murmelte ich und schnäuzte mich nicht sehr damenhaft.
„Einen Ratschlag hab ich allerdings für sie: Das Leben geht weiter.“
Ich sah den Barkeeper an und verdrehte die Augen.
„Das habe ich auch schon bemerkt.“
Ich legte einen zwanzig Euro-Schein auf die Theke, rutschte von meinem Barhocker.
„Der Rest ist für sie. Und tun sie mir einen Gefallen. Keine Ratschläge mehr heute! Geben sie den Leuten lieber was zu trinken.“

Musikstück: Call me when it`s over, Rickie Lee Kroell