Tag für Tag
Jeden Tag sehe ich ihn an meinem kleinen Laden vorbei gehen. Groß, dunkle Haare, teure Kleidung, Aktentasche. Ich weiß genau, um welche Uhrzeit er kommt. Kann ich ihn an einem Tag nicht sehen, fehlt mir etwas. Dieses Sehnen breitet sich in meinem Körper aus, wie ein Parasit. Ich weiß nicht warum oder warum gerade er. Es gibt zig Männer, die mir in Lauf meines Tages begegnen und dann gibt es da noch den Mann, mit dem ich zusammenlebe. Und doch kann ich an keinen anderen mehr denken. Dabei hat er mich nicht einmal bewusst wahrgenommen. Nur ein Mal habe ich durch Zufall in seine Augen gesehen.
Es war einer dieser wolkenverhangene Schneetage, kalt und ungemütlich. Ich war spät aus dem Haus gekommen und musste den Weg im Laufschritt zurücklegen. Vor meinem Laden hatte sich auf einer Pfütze eine Eisschicht gebildet. Ich rutschte und hätte er mich nicht gehalten – er fing mich auf, ich nahm seinen Duft wahr, der sofort mein Gehirn infiltrierte. Sein Lächeln, die kleinen Fältchen, die sich um seine klaren blauen Augen bildeten, und seine samtig tiefe Stimme, die einen Widerhall in meiner Seele fand, säten eine Sehnsucht in meinen Körper, die ich kaum aushalten kann.
Seit diesem Tag warte ich auf ihn. Jeden Morgen zur gleichen Zeit.