Allein, allein
Eisiger Wind fegte über den menschenleeren Bahnsteig. Lea suchte hinter einer Anschlagtafel Schutz, aber es gab kein Entkommen. Ihr Mantel war viel zu dünn und die leichten Schuhe isolierten nicht gegen die Kälte, die unerbittlich ihre Beine hinauf kroch.
Er würde kommen. Sie gingen fort, dorthin wo sie niemand suchte. Ein unkontrolliertes Zittern erfasste Lea. Sie schlug den Mantelkragen höher und trat auf der Stelle hin und her. Es nützte nichts. Immer tiefer drang die Kälte in ihren schlanken Körper vor. Schüttelte sie, sog ihr die Energie aus den Adern. Ergriff Besitz von ihr.
Lea warf einen Blick auf die Bahnhofsuhr. So erbarmungslos die Kälte war, so lief die Zeit dahin. Nur noch fünf Minuten. Der Zeiger hopste von einem Minutenstrich zum Nächsten, während der Sekundenzeiger im Laufschritt die Runde drehte. Lea hörte das Rattern des Zuges. Sah die flackernden Lichter in der Dunkelheit.
Er würde nicht kommen. Lea war allein. Ihr Herz erstarrt in den letzten endlosen Minuten der frostklirrenden Nacht. Gedanken rasten dahin. Allein, allein, allein. Der Rhythmus des Zuges auf den vibrierenden Schienen. Es war leicht. Allein, allein. Nur wenige Schritte, ein Schlag, übertönt vom Kreischen tonnenschweren Stahls.
Er las es am nächsten Tag in der Zeitung. Sein eiskaltes Herz zerbrach allein.