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#1

Schlangentext und Satzassoziation

in Dies und Das 01.03.2013 12:45
von CaroSusi • 79 Beiträge

Aufgabe: Schreibe einen „Schlangentext“.

Ende

„Falsche Schlange!“
John sprang auf, sein Stuhl kippte nach hinten.
Elisa blieb seelenruhig sitzen.
„Du hast es die ganze Zeit gewusst, ich bin wieder der Letzte, der etwas erfährt!“
Seine Hände ballten sich zu Fäusten. In seinem Kopf herrschte Chaos. Elisas Ankündigung traf ihn bis ins Mark. Heimlich regelte sie alles hinter seinem Rücken und überging ihn.
Elisa gab keine Regung von sich. Kein Wimpernschlag, kein Muskelzucken. War sie so gleichgültig, so kalt geworden? Und er hatte es nicht bemerkt.
„Hast du mir sonst noch etwas zu sagen!“, er spukte die Worte aus, wie Gift.
„Wenn du mich so fragst“, Elisa erhob sich gemächlich. Ihr schlanker, biegsamer Körper hatte auch nach zwanzig Jahren noch die Anmut einer Tänzerin. „ich möchte, dass du morgen mein Haus verlässt.“
Langsam ging sie um den Tisch herum, legte ein schmales Büchlein neben seinen verschmähten Teller.
„Hier, deine Abfindung“, ein spöttischer Unterton hatte sich in ihre Stimme geschlichen. „Ich denke, du kannst zufrieden sein.“
Sie drehte sich um, nahm ihr halbvolles Weinglas und ging ins Wohnzimmer. Einen Augenblick später hörte John die Stimme des BBC-Moderators, der einen Krimi ansagte. John stand nur da, konnte sich nicht rühren, es nicht fassen. Die Gedanken rasten durch sein Hirn, ohne anzuhalten. John vermochte nicht zu begreifen, was Elisa ihm mitteilte. Die Worte waren zu ihm hindurchgedrungen, aber er konnte ihnen keine Bedeutung zuordnen.
Abfindung, sagte sie. Eine Abfindung wovon? Ihr Haus verlassen, hatte sie gesagt. Aber es war doch auch sein Haus. Zwanzig Jahre hatte er hier gewohnt, gearbeitet, Kinder aufwachsen sehen, und hier hatte er Elisa geliebt.
Was war geschehen? Der Tag begann, wie so viele Tage in den letzten Jahren. Nichts hatte auf dieses Desaster hingedeutet. So gar die Sonne schien, an diesem Januarmorgen. Es gab keinen Stau auf der Autobahn und im Büro war alles glattgegangen.
Johns Anspannung ließ abrupt nach. Er sank vor dem Tisch auf den Boden. Ab morgen gab es kein Büro mehr, keine Firma, kein zu Hause. War es das, was Elisa damit sagen wollte?
John fiel aus seinem ausgefüllten Leben in eine schwarze tiefe Leere. Kein Geld der Welt konnte ihn darüber hinweg trösten. Der Schmerz in seinem Inneren zog sich zusammen wie ein riesiges unentwirrbares Knäul aus tausend Fäden, die er nicht gesponnen und die ihn doch zu Fall gebrachten.
John raffte sich auf. Für ihn gab es nur einen Ausweg. Er griff nach seinen Autoschlüsseln und ging.

Aufgabe: Satzassoziationen zu:

John fiel aus seinem ausgefüllten Leben in eine schwarze tiefe Leere.

Voll, Universum, hoch, Sturz, Hochhaus, hell dunkel, Film Noir, Stress, laufen, stolpern, einsam, Trauer, schwarzes Loch, Geburt, Ende, Lauf der Dinge, fliegen, Absturz, Zerstörung, Krypta, Gruft, Schmerz, endlos, bersten, Bewusstlosigkeit, Aufprall,

Ausgewählte Worte für den nächsten Text: Tod, Stress, allein, Jahre, Feuer, bodenlos


I am legend

Karim sah Selina immer noch. Er konnte sich nicht erinnern, wie viele Jahre vergangen waren. Am Anfang zählte er die Stunden, die Tage, Wochen, Monate. Aber er war nun schon so lange allein, dass Zeit keine Bedeutung mehr hatte.
Zeit – welch seltsames Ding. Damals, vor Selinas Tod, war sie angefüllt bis an den Rand und doch so schnell vergangen, als verschüttete man ein Glas. Nach Selinas Tod gab es kaum noch etwas zu tun, und die Stunden krochen dahin, langsam und quälend, nie enden wollend.
Karim erhob sich. Es wurde Zeit auf die Suche nach etwas Essbarem zu gehen. Hätte er die Ruinenstadt verlassen, wäre es vielleicht einfacher, immer genug Nahrung zu finden. Und möglicherweise begegnete er anderen, die das große Feuer überlebt hatten. Karim konnte nicht gehen. Er hätte den Ort verlassen, an dem seine letzten glücklichen Erinnerungen wohnten.
Karim verließ sein Haus, nicht ohne die Tür zu verschließen. Es gab niemand, der etwas genommen hätte, aber die Rituale halfen ihm, nicht völlig verrückt zu werden. Oder war dies schon das Verrückte? Der Stress des Alleinseins. Lächerlich. Stress der Einsamkeit.
Karim wanderte durch die Straßen. Um etwas zu Essen zu finden, musste er immer weitere Kreise ziehen. Anfangs hatte er nur in den Nachbarhäusern nach Nahrung gesucht. Inzwischen waren die Vorräte verbraucht und die Wanderungen wurden länger. Manchmal schaffte er es vor Einbruch der Nacht nicht nach Hause. Dann kampierte er in unwirtlichen Gebäuden voller Schutt und Unrat. Dort konnte er nicht schlafen. Wenn ihn die Müdigkeit trotzdem übermannte, hatte er Albträume, die ihn tagelang verfolgten.
Und überall begleitete ihn Selina. Er redete mit ihr, auch wenn sie ihm nicht antwortete. Sie hielt ihn davon ab ins Bodenlose zu stürzen. Selina, seine wunderschöne Selina. Am Ende der Zeit stand sie. Er hatte sie bald erreicht.

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